Fotografie Frank Grellert


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Wenn sich der Seeadler schon nicht mehr in den Lüften halten kann ..

Ein Sonntagsspaziergang am Plessower See. Auf einem Feldweg liegt er: Ein junger entkräfteter Seeadler, jünger als ein Jahr. In den vergangenen Tagen gab es Stürme und auch heute weht ein kräftiger Wind. das junge Tier liegt erschöpft auf dem Boden, versucht Kräfte zu sammeln. Es spreizt die Flügel zur Drohgebärde, als wir uns nähern.

Aber er hat so wenig Kraft, dass man die Drohgebärde eher als ein Flehen um Hilfe deuten kann. Wer ist zuständig?? Ein Anruf beim Polizei-Notruf verursacht dort erst einmal Ratlosigkeit, aber man verspricht sich zu kümmern. Einige Zeit später ein Anruf der Leitstelle der Feuerwehr: „Wir können nicht kommen, aber wir kümmern uns. Wo sind Sie genau?“ Ich rufe einen Freund an, der mal Landesvorsitzender des NaBu war. Inzwischen benachrichtigt mich die Leitstelle der Feuerwehr und gibt mir eine Nummer der Tierrettung Potsdam. Wiederum nach einiger Zeit ein Anruf der Polizei: „Wir können das Tier nicht finden. Können Sie uns helfen?“ Endlich kommt Fahrt auf.

Wir fahren zurück in das Naturschutzgebiet, um den Weg zu weisen. Leider bleibt das Auto im Schlamm stecken. Die Polizisten machen sich auf den Weg. „Werden Sie von der Schusswaffe Gebrauch machen?“ frage ich, um einen Scherz zu machen. Die wollen aber gerade nicht scherzen und machen sich auf den Weg durch sumpfiges Gelände. Nach einiger Zeit kommen weitere Fahrzeuge der Tierrettung Potsdam und helfen uns erstmal aus dem Schlamassel.

Die Falknerin ist eine ehemalige Schülerin von Margit. Inzwischen haben die beiden Polizisten den Seeadler arretiert. Er war inzwischen aufgestanden und versuchte, sich zu Fuß aus dem Staub zu machen, aber die Kräfte reichten einfach nicht. Dann kamen die beiden Polizisten zurück mit dem sicher verpackten Adler. Nach Auskunft der Falknerin war er völlig unterernährt und entkräftet. Nun wird er erst einmal versorgt, hochgepäppelt, bis er wieder selbständig auf die Jagd gehen kann. Danach wird er an derselben Stelle ausgewildert. Allmählich kann man auch wieder scherzen. Aber mein Vorschlag, die Not mit Fischstäbchen zu überbrücken, kommt leider auch nicht so gut an. Immerhin wurde er nicht erschossen und die Handschellen kamen auch nicht zum Einsatz, sondern eine recht professionell aussehende Decke für den Kleinen.

Inzwischen hat er eine Infusion erhalten und zeigt schon wieder Lebenszeichen. Gerade piept mein Smartphone: „The last hours of the Titan“ berichtet die New York Times. Ich wünschte, die Aufmerksamkeit könnte sich auch einmal den wichtigen Dingen zuwenden!

Update, 26.07.2023

Inzwischen haben wir erfahren, dass der Adler wieder ausgewildert wurde.

Da er noch nicht flugfähig war, wurde er durch ein Team in seinen Adler-Horst gesetzt. Als er aufgefunden wurde, wog er 3 kg, Nach seinem Aufenthalt in der Zuchtstation, also ca. 3 Wochen später, wog er 5 kg.

Vermutlich ist er bei einem seiner ersten Flugversuche etwas unsanft gelandet und wusste nicht, wie man eine Startbahn benutzt, denn schließlich muss man ja beim Jungfernflug lediglich die Flügel öffnen und sich fallen lassen, der Rest kommt dann wie von selbst. Von oben nach oben ist leicht, aber von unten nach oben ist wie im echten Leben sehr schwer! Und da er sich nicht im Adlerhorst aufhielt, konnte er auch nicht von seinen Eltern versorgt werden. — Man sieht schon: Das könnte auch eine Lehre für das eine oder andere Menschenkind sein: Wenn Du schon flügge werden willst, mach es richtig und bedenke, dass nicht alle Eltern zu Versorgungsdienstleistungen außerhalb der eigenen vier Wände zur Verfügung stehen — von oben nach weiter oben geht leichter als von ganz unten nach oben.

Hoffen wir, dass die Adler-Eltern dem kleinen Vogel jetzt noch beibringen, wie man fliegt und Fische fängt.

 

 

 


  •  Fotografie 
  • 02.07.2023  
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  •   13.08.2023  
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