Fotografie Frank Grellert


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Das „Mohrenrondell“ im Park Sanssouci

Eigentlich ist es so, dass der gesamte Park Sanssouci eine Auslauffläche der Phantasie darstellt. Insbesondere die zahlreich vorhandenen Skulpturen im Park bilden eine wilde Mischung realer Personen (römische Kaiser, Feldherren, Adlige, Philosophen usw.) und Phatasiegestalten (Götter, Dämonen, Fabelwesen). Das ist eine tolle Sache. So viel Phantasie und Verspieltheit, so viel spielerische Leichtigkeit und naive kindliche Freude, die mit jedem Tabu bricht, hätte man dem „Alten Fritz“ gar nicht zugetraut. Das Preußische präsentiert sich hier mit Lust am Frivolen. Das Mohrenrondell nimmt jedoch eine Sonderstellung ein: Unfreiwillig kommt hier zum Ausdruck, dass Preußen schon sehr früh zu Zeiten des Großen Kurfürsten (1620-1688) in Kolonialismus und Menschenhandel verwickelt war. Wie es heißt, holte man die „Mohrenfiguren“ aus dem Magazin, wo sie schon seit Zeiten des Großen Kurfürsten lagerten. Natürlich hatten zu jener Zeit die Rivalen England, Spanien, die Niederlande und Frankreich den „Markt“ schon längst abgegrast, aber ein exotischer schwarzer Diener gehörte nun mal zu jeder ordentlichen Hofausstattung. Das präsentierte man mit Stolz: Schon früh hatte sich der Kurfürst eine Ladung schwarzer Bediensteter erbeten, Mohren genannt, die zu Repräsentationszwecken bei Hofe zum letzten Schrei gehörten. Wahrscheinlich wurden sie sogar gut behandelt, so wie man ein exotisches Spielzeug behandeln würde.(Tagesspiegel vom 18.06.2020). Von den etwa zwölf Millionen Afrikanern, die von Europäern über die Jahrhunderte nach Nord- und Südamerika verschleppt wurden, gingen rund 17 000 auf das Konto brandenburgischer Schiffe. (ebenda). Das ist eine vergleichsweise geringe Zahl über die Jahrhunderte. Aber sie ist nicht deshalb so gering, weil man in Sachen Sklavenhandel Zurückhaltung wahrte, sondern weil man sich schlicht ganz hinten anstellen musste, die Karten waren bereits zwischen England, Spanien, Frankreich und den Niederlanden verteilt.

Allmählich wird die Sache ruchbar: Zunächst die Mohrenstraße in Berlin, dann die Hintergründe des sogenannten Luf-Bootes, das ursprünglich als „ehrlich erworbene Handelsware“ im Humboldt-Forum des neu errichteten Berliner Schlosses präsentiert werden sollte, bis der Historiker Götz Aly den wahren (mörderischen) Hintergrund des „ehrlichen“ Erwerbs aufdeckte - und nun auch noch das „Mohrenrondell“ im Park Sanssouci! Da zeigt der aufklärerische Ruf des Hauses Friedrich II. einen erheblichen Lackschaden! Liest man die Info-Tafel (siehe Link unten auf der Seite), ist der gequälte Tonfall, in dem um Verständnis für die „Sache“ als Produkt ihrer Zeit geworben wird, nur schwer überhörbar. ... Vermutlich müssen in naher Zukunft noch zahlreiche Straßen und Plätze in ganz Deutschland umbenannt werden, und vermutlich muss man sich mit dem Gedanken anfreunden, dass das Problem mit der Metamorphose vom „Mohrenrondell“ zum „Ersten Rondell“ noch lange nicht ausgestanden ist!

Die Pikanterie am Rande: Die Bezeichnung „Mohrenrondell“ ist wohl kein Produkt der Zeit Friedrichs II., sondern entstand in den 60er Jahren, also in der DDR. Es gibt eben einen offenen Rassismus, der — das ist gemeinhin Konsens — abgelehnt und bekämpft wird, und es gibt eine verdeckte Variante des Rassismus. Sie zu bewahren und zu verteidigen scheint in weiten Teilen unserer Gesellschaft ebenso konsens zu sein, unabhängig davon, ob man sich jetzt gerade im „imperialistischen“ oder im „humanistischen“ Teil Deutschlands befindet. Und mal eine despiktierliche Frage: Schmücken sich manche Großkonzerne (Die Deutsche Bahn, Otto-Versand, Waschbär, facebook usw.) nicht auch ganz gerne mit „persons of color“?

PS: Die Lektüre der Erklärung des „Mohrenrondells“ durch die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg ist sehr lesenswert (erster Link) und ist mit weniger zorniger Feder verfasst als mein Artikel.

 

 

 


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  • 29. Mai 2021  
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