Fotografie Frank Grellert


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Zeche Zollern

Liebevoller Jugendstil kaschiert Maloche Die Route Industriekultur im Ruhrgebiet ist reich mit Highlights versehen. Zuvor belächelt als Ruhrpott-Nostalgie rücken manche Schwerindustrie- und Bergwerksstandorte zum Weltkulturerbe auf, wie die Völklinger Hütte im Saarland oder die Zeche Zollverein in Essen. Aber auch die anderen sind bedeutende und liebevoll gepflegte Landmarken, die Touristen zu Tausenden ins Ruhrgebiet locken. Bei dieser Vorstellung, im Urlaub ausgerechnet ins Ruhrgebiet zu fahren, hätte man vor einigen Jahren noch ziemlich laut gelacht. Der Niedergang der Industrie ist ein Segen für die Kunst (Ruhr-Triennale, Route Industriekultur, Oberhausener Kurzfilmtage, Landart, um nur einiges zu nennen). Nicht zuletzt wurde auch die Fotografie durch den Niedergang der Industriestandorte beflügelt: Bernd und Hilla Becher entwickelten einen neuen fotografischen Stil, um die Baudenkmäler zu katalogisieren und auf diese Weise vor dem Vergessen zu retten. Dies inspirierte bedeutende Fotografen der Gegenwart wie Michael Schmidt und Andreas Gursky und viele andere, die sich heute zur Becher-Schule zugehörig fühlen. Inzwischen wurden die Industriedenkmäler des Ruhrgebiets zum Selbstläufer mit großer Attraktivität.

Die Zeche Zollern in Dortmund an der Stadtgrenze zu Castrop-Rauxel war einst eine Musterzeche und das Prestige-Bergwerk der Gelsenkirchener Bergwerks-AG. Zwischen 1898 und 1904 erbaut, kaschierten die Bauherrn schmutzige Maloche hinter aufwändigen Jugendstil-Ornamenten, wahrscheinlich ein Versuch, das „Wohlfühl-Element“ in die Arbeiterklasse zu bringen, in der Hoffnung, sie ruhig zu stellen. Inzwischen hatte man gelernt, den „ vaterlandslosen Gesellen“ der überwiegend sozialdemokratisch gesinnten Arbeiterklasse etwas zu bieten: Arbeiterwohnsiedlungen mit Dorfcharakter, Zechendeputate, Genossenschaften und eben auch Fabriken, die schön anzusehen sind. Die Zeche Zollern ist im späten Kaiserreich ein schönes Beispiel für die Verklärung der Arbeit zum Idyll. Das konnte nicht funktionieren, da die Differenz zwischen Dekoration und Wirklichkeit unüberbrückbar war.

Ruhrkampf und Inflation in den 20er Jahren drückten die Zeche in die Knie, 1966 wurde sie Opfer des Zechensterbens. Heute besitzt sie Denkmal-Status. Seit Neuestem wurde die Maschinenhalle nach einer langen Restauration wieder der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Das eine oder andere - vor allem in der Maschinenhalle - ist so liebevoll blank geputzt und poliert, dass man es im Auslieferungszustand im Jahr der Inbetriebnahme vor 113 Jahren vor Augen hat. Anderes liegt draußen auf dem Platz und wartet auf Behandlung. So lange nimmt es die Gestalt von Dinosaurier-Knochen oder einer Star-Wars-Requisite an. Vielleicht sollte man manches belassen, um Spuren des Gebrauchs und der Geschichte erkenntlich zu erhalten. Andererseits überlebt auf dem Zechengelände der eine oder andere lebendige Beweis des Gebrauchs:

Den jungen Bergmann frage ich „Ist das Verkleidung oder is dat echt?“. Er grinst und erwidert „Montag fängt meine Lehre als Hauer auffe Zeche an.“. Was die meisten nicht wissen: Zechensterben bedeutet lediglich, dass die Kohleförderung eingestellt wurde, aber keineswegs das Ende des Bergbaus. Im Unterschied zu Atomkraftwerken, die nach einer gewissen Abklingphase (von ca. 4 Millionen Jahren) für die Öffentlichkeit risikolos weiter verwendet oder abgerissen und neu bebaut werden können, ist das bei Bergwerken nicht der Fall: Sie müssen auf ewig unterhalten werden. Der Grubenwasserspiegel im Ruhrgebiet wurde künstlich abgesenkt, um die Bergwerke betreiben zu können. Die Bergwerksgesellschaften haben dann giftige Abfälle wie PCB in die Schächte gekippt („verfüllt“). Daher muss das in die Gruben sickernde Grundwasser auf ewig abgepumpt werden, denn sollte es bis zum Grundwasserpegel ansteigen, gelangt der ganze Mist ins Grundwasser und macht das Ruhrgebiet unbewohnbar - wahrscheinlich auch andere Regionen, in die das verseuchte Zechengrundwasser über Bäche und Flüsse gelangt. Der junge Mann hat also gute Aussichten auf einen sicheren Arbeitsplatz! Ich wünsche ihm, dass er seinen Enthusiasmus für den Bergbau genauso lange erhalten kann.

 

 

 


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  • Juli 2017  
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  •   13.08.2023  
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