Fotografie Frank Grellert


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Wald 2023: Raum des Wohlbefindens, der Entschleunigung, Duft nach frischer Erde, Grün, Stille?

Aufatmen im Wald? Wellness-Bereich für unseren Körper? Leider wird diese Wahrnehmung des Waldes zunehmend verdrängt, weil die Schäden, die Menschen dem Wald angetan haben, nicht mehr zu übersehen sind. Aus meiner Kindheit habe ich in Erinnerung, dass man gerne mal etwas Bauschutt, einen Kühlschrank, ein altes Auto oder ein paar Kanister mit einer unbekannten Flüssigkeit im Wald verklappt hat. Das war in den 60er und 70ern so eine Art gentleman's agreement. Das hat sich dann geändert. — Oder sollte sich geändert haben. Sicherlich hat man einiges getan, aber durch die anhaltende Dürre der vergangenen Jahre treten die Jugendsünden, die den Wäldern angetan wurden, heute deutlicher zu Tage: Umgestürzte Bäume, die im trockenen Boden keinen Halt mehr finden, faulendes Holz, dass durch das Geknabber der Borkenkäfer nicht mehr ausreichend mit Flüssigkeit versorgt werden kann, Waldbrände und die wilden Schnitzereien in die Baumrinde, durch die der eine oder andere seiner Angebeteten Gefühle offenbarte, wenn es mündlich schon nicht klappte. Bei näherem Hinsehen entdeckt man auf diesen Bildern kyrillische Schriftzeichen. In der Nähe befand sich bis zum Abzug der ruhmreichen Sowjetarmee eine russische Kaserne, und die Wälder in der Nähe dienten den Sowjetsoldaten weniger zum intensiven Naturerleben, sondern mehr als hormonelle Wohlfühl-Oase. Deutlicher möchte ich hier nicht werden.

Ja, die Schlimmen sind wohl immer die anderen. Aber wir alle wissen, dass sich heute kaum ein Politiker für den Wald interessiert. Allenfalls, wenn es sich um ein Naherholungsgebiet oder um eine forstwirtschaftliche Nutzfläche handelt, lohnt sich Engagement, dann kann man bei Wählern punkten. Wald als unberührte Natur, als eine Daseinsform unserer wunderbaren Erde kann diese auf Nutzen optimierte Zivilisation kaum ertragen. Es muss immer nützlich sein, es muss sich immer „auszahlen“. Wald retten? Ja! Aber erstmal im brasilianische Regenwald, sozusagen als Freiheitskampf gegen Bolzonaro, und vor allem: weit weg, weiter geht's kaum. So lässt sich das Gutmenschentum ungehindert erleben. Ein Bruchteil dieser Brasilien (übrigens zu Recht) abverlangten Anstrengungen könnte man getrost in die eigenen Wäldern umleiten. Wenigstens könnte man den Wald in Ruhe lassen. Es wäre schön — und würde sich nach einiger Zeit auch gut anfühlen — mal so ganz zweckfrei!

Diese Fotos sind übrigens am westlichen Ende des Plessower Sees in der Nähe von Werder an der Havel entstanden.

 

 

 


  •  Fotografie 
  • 23.03.2023  
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  •   13.08.2023  
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